Klare Worte in der SPD-Haushaltsrede: Gestalten in und für Nürtingen, für die Nürtinger Bürger– das ist das Ziel der Nürtinger SPD-Fraktion für die nächsten 4 Jahre. Gestalten beeinhaltet Wohnen – Lernen – Integrieren – Einkaufen – Arbeiten und vor allem – LEBEN !  Fraktionsvorsitzende Bärbel Kehl-Maurer setzte sich auch mit den Finanzierungsmöglichkeiten auseinander.

Haushaltsrede der SPD-Fraktion, 12. Januar 2016

Herr Oberbürgermeister Heirich, Frau Bürgermeisterin Grau, meine Damen und Herren,

Haushaltsberatungen erfassen Kommunen so regelmäßig wie Ostern, Weihnachten und Sylvester. Und wenn die Etats begrenzt sind, oft auch so heftig wie alle drei Kalender-Ereignisse zusammen genommen!

Nun ist es bei einer Haushaltsberatung so, dass die Verwaltung einen Haushaltsplan aufstellt, der alle Wünsche der einzelnen Dezernate ebenso wie die Anträge der Vereine und der Freien Träger auflistet und dann dem Gemeinderat vorlegt. Auch wenn Weihnachten bereits schon 3 Wochen hinter uns liegt; diese Zusammenstellung hat dann durchaus den Charakter eines umfangreichen weihnachtlichen Wunschzettels!

Anders ausgedrückt: Ein erster Haushaltsentwurf hat nur wenig mit den zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel zu tun. Und so bleibt es leider die Aufgabe des Gemeinderats Wunsch und Wirklichkeit auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Das ist wahrhaftig keine leichte Aufgabe und – eine große Verantwortung.

Erschwerend kommt dazu, dass trotz inzwischen Doppischer Haushalts-führung die dem GR für den Haushalt 2016 zur Verfügung gestellten Unterlagen sich was Übersichtlichkeit und Transparenz betrifft, auf einem sehr niedrigen Niveau befinden. Überspitzt ausgedrückt: Der Schmiergeld-Katalog der FIFA dürfte lesbarer und verständlicher sein.

Natürlich muss man weniger – und vor allem keine unpopulären- Entscheidungen treffen, wenn genügend Geld in der Stadtkasse ist. Wir in Nürtingen haben jedoch die Situation, dass leider nicht genügend Geld vorhanden ist, um alle unsere schon seit Jahren geplanten und beschlossenen Projekte umzusetzen. Der inzwischen dringend notwendige sozialen Wohnungsbau und Steuerausfälle tragen dazu bei, dass wir gezwungen sind, weitere Kredite aufzunehmen.

Nun tröstet uns unser OB damit, dass Nürtingen mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von nur 276 € landesweit erheblich unter dem Durchschnitt liegt. Das klingt gut.

Andererseits heißt das aber, dass Nürtingen bereits heute ein Schuldenpaket von rd. 11. Mio. Euro zu stemmen hat. Und dennoch noch weitere Kredite benötigt.

Nun gibt es drei Möglichkeiten:
1. Die Einfachste:
Der GR weist den Haushaltsentwurf 2016 an den OB und die Verwaltung zurück und fordert eine gründliche darstellerische wie auch inhaltliche Überarbeitung mit konkreten Vorschlägen, bei welchen Projekten aus deren Sicht Einsparungen möglich sind.

2. Die Ängstliche:
Wir beschränken uns auf das Notwendigste, also auf den
„Verwaltungsbetrieb“ und stellen alle unsere großen
Investitionsprojekte nochmals auf den Prüfstand, obwohl wir schon
lange Grundsatzbeschlüsse gefasst haben und diskutieren erneut
(eine allseits bekannte Nürtinger Disziplin. Stichwort:
„Kreisverkehr“) .

3. Die Zukunftsorientierte:
Wir versuchen trotz allem auch in einem begrenzten Rahmen zu gestalten, unsere Stadt für ihre Bürger weiter zu entwickeln.

Wir von der SPD-Fraktion haben uns fürs Gestalten entschieden.

Das heißt: Wir wollen das realisieren, was für Nürtingen und seine Bürger wirklich wichtig und notwendig ist – und verzichten weitestgehend auf „kosmetische und eher dekorative “ Maßnahmen.

Sie alle – auch die Männer – kennen das; es handelt sich schlicht um den gravierenden – auch preislichen – Unterschied zwischen pflegender und dekorativer Kosmetik !

Dabei sehen wir von der SPD-Fraktion für 2016 zunächst 4 relevante Handlungsfelder, analog zum ISEK-Prozess:

Wohnraum, Bildung, Sport und „Flüchtlinge“.

Kernzielgruppen sind dabei: Familien, junge Menschen, ältere Menschen, Arbeitnehmer, Bürger mit Migrationshintergrund und ehrenamtlich engagierte Bürger.
Unser erstes Ziel: Bezahlbaren Wohnraum schaffen

Jeder Mensch braucht seine Privatsphäre, also eine bezahlbare Wohnung, in der er leben kann. Das gilt nicht nur für Flüchtlinge, Wohnungssuchende und Mieter, sondern auch für Familien, die beabsichtigen Wohnungseigentum anzuschaffen. Auch dieses muss erschwinglich sein!

Für uns von der SPD ist das Thema bezahlbarer Wohnraum ein Grundrecht.

Im Dezember 2014 hat die SPD-Fraktion deshalb einen Antrag eingebracht, in dem wir für Nürtingen in allen Kostensegmenten bezahlbaren Wohnraum gefordert haben – passend zu den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger. Daher begrüßen wir es sehr, dass ÖKOGeno im Inneren Gänslesgrund Baugrund erworben hat und
ihr Projekt verwirklicht. Nur durch Vielfalt kann hier eine Entwicklung erfolgen.

In Nürtingen ist Bauland aufgrund seiner begrenzten Verfügbarkeit viel zu kostbar, um damit leichtfertig umzugehen. Beim Verkauf von Flächen ist deshalb nicht nur auf den gebotenen Preis zu achten, sondern auf die Bedürfnisse künftiger Bewohner.

Wir haben deshalb einen 5 – Punkte-Plan Wohnen in Nürtingen entwickelt:

1. Um die Wohnungssituation in Nürtingen zu entschärfen, ist es notwendig, eine städtische Wohnungsbaugesellschaft zu gründen, deren Ziel es ist, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Deshalb fordern wir, dass in den nächsten Monaten eine Konzeption für eine solche städtische Wohnungsbaugesellschaft vorgelegt wird und diese noch in diesem Jahr gegründet wird. Dadurch ist garantiert deass die Stadt die Entscheidungen beim Wohnungsbau beeinflussen kann.

2. Der Eigenbetrieb Stadtbau kann diese Aufgabe zur Zeit nicht erfüllen. Nur mit der Gründung einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft kann sicher gestellt werden, dass neue Impulse hinsichtlich Wohnformen gesetzt werden können.
Im Übrigen ist diese neue Gesellschaft keine Konkurrenz zu den bereits existierenden Wohnungsbaugesellschaften wie Siedlungsbau oder Kreisbau. Durch eine Quote kann dabei garantiert werden, dass nicht alle städtischen Grundstücke nur durch die „eigene“ Wohnungsbaugesellschaft bebaut werden.

3. In Neubaugebieten wollen wir, dass eine Quote für sozialen Wohnungsbau festgelegt wird.

4. Für jedes Quartier soll ein Quartiermanagement eingesetzt werden.

5. Hierbei ist die ehrenamtliche Arbeit ist durch die Stadt zu unterstützen, d. h. die notwendigen Kommunikationsstrukturen müssen geschaffen
werden, Ansprechpartner müssen konkret benannt werden.
Flüchtlinge, künftige Bürger Nürtingens ?

Ein großer Teil der Menschen, die jetzt in unser Land kommen, wird aller Voraussicht nach auch in Zukunft bei uns bleiben und muss in unsere Gesellschaft integriert werden. Das erschreckt manchen von uns. Andererseits zeigt ein Blick in die Geschichte, dass es schon immer Wanderbewegungen gab, von West nach Ost, von Süd nach Nord – und umgekehrt. Deutschland, auch wenn sich einige Bürger mit dieser Vorstellung schwer tun, war schon immer ein Einwanderungsland.

Damit hat sich unser Land aber auch weiter entwickelt. Insofern sind jüngere Zuwanderer eine große Chance für das inzwischen älter gewordene Deutschland.

In Nürtingen gibt es eine gute Willkommenskultur für die Flüchtlinge. Es zeichnet NT aus, dass sich ein Netzwerk gebildet hat, in dem viele NT Bürger ehrenamtlich Flüchtlinge begleiten und sie unterstützen. Auch für diese Menschen werden Wohnungen, Ausbildungs- und Arbeitsplätze gebraucht. Es ist somit auch eine große Chance für unsere Stadt, wenn wir diese Menschen integrieren können.

Die Stadt sollte ein Gesamtkonzept erarbeiten, deren Zielsetzung die Integration der neuen Bürger ist: Jugendagentur / Sprachkurse / Ausbildung
Bildung in Nürtingen

Wir haben ganz klare Beschlüsse gefasst, dass wir das Bildungszentrum Schloßberg und die Kinderhäuser Braike und Neckarhausen in den nächsten Jahren realisieren. Deshalb müssen wir auch die Planungen weiter vorantreiben und die möglichen Fördermaßnahmen nutzen.

Auch weiterhin muss die Kinderbetreuung für die jungen Familien attraktiv sein, u.a. auch damit sie sich für Nürtingen als Wohnsitz entscheiden.
Für die Kinderhäuser Braike und Neckarhausen beantragen wir eine Planungsrate, damit wir auch hier Zuschüsse beantragen können.

Auch eine qualifizierte Ferienbetreuung wird für die Familien immer wichtiger. Darüber haben wir bereits im Kulturausschuss intensiv diskutiert und eine Möglichkeit gefunden, die Ferienbetreuung abzusichern. Dafür sind die Haushaltsmittel zu erhöhen.

Die Jugendagentur ist zu einer wichtigen Anlaufstelle für junge Menschen, besonderes mit Migrationshintergrund geworden. Dies zeigt auch die Anzahl der Kontakte.
Damit dieses Bildungsangebot weiterhin junge Menschen unterstützen kann, beantragen wir eine Regelförderung in Höhe von 12.000 Euro.
Sport

Die Attraktivität und der Freizeitwert einer Kommune ist in hohem Maße auch von den Sportangeboten geprägt. Mit seinen zahlreichen gemein-wohlorientierten Funktionen spielt der Sport eine zentrale Rolle in einer Gemeinde:

Gesundheitsförderung, Integration, ganzheitliche Erziehung sowie die Sozialisation der Kinder und Jugendlichen und die Vermittlung grundlegender Werte. Hinzukommt noch, dass sich viele Bürger in den Sportvereinen engagieren.

In Neckarhausen haben wir die Situation, dass hier ein Leistungszentrum für die Turner entstanden ist, deren Erfolge sich wirklich sehen lassen können. Realisieren wir den Neubau in Neckarhausen, so haben die Turnerinnen und Turner endlich die Rahmenbedingungen, die sie benötigen. Darüber hinaus kann dann die Sporthalle bei der Grundschule für weitere Sportangebote genutzt werden: z. B. durch die Senioren oder junge Leute. Audfgrund der demografischen Entwicklung werden sich die Sportangebote verändern müssen.

Aus diesen Gründen ist es notwendig, den Anbau für einen neuen Bewirtungsbereichs der Theodor-Eisenlohr-Halle sowie die Sporthalle in Neckarhausen zu realisieren. Tragfähige Planungen liegen für die einzelnen Projekte bereits vor.
Unsere Finanzierungsüberlegungen

Trotz der bereits bestehenden Verbindlichkeiten Nürtingens in Höhe von 11 Mio. Euro halten wir eine weitere Kreditaufnahme von maximal 7 – 8
Mio. Euro für verantwortbar.

Voraussetzung dafür und für die Realisierung der von uns anfangs beschriebenen Projekte ist allerdings die Streichung einiger kleiner geplanter „kosmetischer“ Maßnahmen. (Details haben wir in unserem Antrag aufgelistet) Zusammen mit der Kürzung der vorgesehenen Sanierungsmaßnahmen der GWN um 40 % kommen wir somit auf eine Einsparung von gut 2,5 Mio. €.

Die geplante Erhöhung der Gewerbesteuer um 10 Punkte und evtl. eine (sozialverträgliche!) Erhöhung der Kindergarten-Gebühren bringen lt. Schätzung des OB nochmals ein Plus von etwa einer 1/2 Mio. €. und erhöhen den gewonnenen Spielraum somit auf gut 3 Mio. Euro.

Auch die Ansiedlung weiterer Unternehmen im Großen Forst, die deshalb unbedingt konsequent forciert werden muss, bietet weitere Einnahmemöglichkeiten.

Fazit: Wir haben die Möglichkeit unsere bereits verabschiedeten großen Projekte zu realisieren und auch den neuen Herausforderungen zu begegnen, ohne die Stadt oder die Nürtinger Bürger über die Maßen zu strapazieren — wenn wir – wie aufgezeigt – vorgehen.
Gestatten Sie mir abschließend doch nochmals eine Anmerkung zur Darstellung des Investitionsplanes 2016. Entscheidungen – insbesondere unpopuläre Entscheidungen – zu treffen, fällt jedem schwer – nicht nur Gemeinderäten. Deshalb ist es wichtig, dass man sich dabei auf gute und belastbare Unterlagen stützen kann.
Uns fehlt im Haushaltsplan 2016 eine nutzerfreundlichere Darstellung und damit eine höhere Transparenz.

Hilfreich wäre deshalb eine einfache Übersicht gewesen mit unseren Grundsatzbeschlüssen, den wichtigsten geplanten Investitionen und wie sie finanziert werden sollen. Da diese gefehlt hat, musste jeder, der sich ernsthaft mit dem Haushaltsplan beschäftigte, sich mühsam durch
Zahlenkolonnen und Grafiken durchkämpfen, selbst Additionen durchführen, etc., etc.

Wir fordern für die weitere Beratungen eine solche Übersicht, damit dann in einer Sitzung der Haushaltskommission die Entscheidung für den Gemeinderat vorbereitet werden kann. Somit können wir die Aufgabe der Steuerung wahrnehmen, zu der uns der Stadtkämmerer aufgefordert hat.

Dabei darf nicht Ängstlichkeit unser Handeln bestimmen, sondern – trotz der schwierigen Ausgangslage – die gegebene Chance durch Veränderung. Wir brauchen einfach Mut zur Entscheidung.

Gestalten in und für Nürtingen, für die Nürtinger Bürger– das ist unser Ziel für die nächsten 4 Jahre. Gestalten beeinhaltet Wohnen – Lernen – Integrieren – Einkaufen – Arbeiten und vor allem – LEBEN !

Sicher, wir werden neue Kredite aufnehmen müssen. Aber mit Maß und Ziel. Nicht einfach ins Blaue hinein, nach dem Motto „es wird schon werden. Irgendwie.

Auch deshalb haben wir uns entschieden, diverse Anträge zur Gestaltung unserer gemeinsamen Zukunft zu formulieren.

Herr Oberbürgermeister Heirich hatte seine Haushaltsrede mit einem Zitat von Angela Merkel eröffnet. Ich schließe meine Ausführungen mit einem Zitat von Frau Merkel, obwohl ich – wie Sie alle wissen – nur bedingt mit der von ihr geführten Partei sympathisiere. Aber hier finde ich, hat sie recht.

So sagte Angela Merkel 2008 in Stuttgart anlässlich der europäischen Finanzkrise:
„Man hätte einfach nur die schwäbische Hausfrau fragen sollen. Sie hätte uns eine Lebensweisheit gesagt: Man kann nicht auf Dauer über seine Verhältnisse leben.“

Dem habe ich Nichts hinzuzufügen. Denn das werden wir auch nicht tun!

Bärbel Kehl-Maurer, Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion