vk BAC_9725 vk BAC_9730 vk BAC_9732 vk BAC_9740In einem Workshop mit prominenter und kompetenter Besetzung wurden zahlreiche Aspekte des Bauens und Wohnens erörtert. Drei wichtige Perspektiven kamen zu Wort: Landesebene (Nils Schmid, 2.v.l.), Regionalebene (Wilfried Nobel – links) und kommunaler Ebene (Susanne Schreiber – rechts). Daneben Nürtingens SPD-Fraktionsvorsitzende Bärbel Kehl-Maurer. Die interessierten Teilnehmer stellten viele Fragen und erhielten kompetente Antworten. Fazit: Es müssen dringend mehr Wohnungen entstehen, insbesondere im Bereich „bezahlbarer Wohnraum“. Dazu wurden Möglichkeiten aufgezeigt und Lösungen angeboten.

(we) Wie können in Nürtingen mehr Wohnungen, insbesondere auch günstige, geschaffen werden? In dem von der Nürtinger SPD durchgeführten Workshop zu diesem Thema im Katholischen Gemeindehaus zeigten Experten Möglichkeiten, aber auch Schwierigkeiten auf.

Bärbel Kehl-Maurer begrüßte die Teilnehmer und wies darauf hin, dass ihre SPD in den letzten Jahren bei Neubaugebieten immer wieder eine Quote für „bezahlbares Wohnen“ sowie eine städtische Wohnbaugesellschaft gefordert hatte. Im Jahr 2017 wird die Fraktion das Thema Wohnen zu einem ihrer Schwerpunkte machen. Der Workshop letzte Woche bildete dazu den Auftakt.

Zunächst stellte der frühere Wirtschaftsminister in Baden-Württemberg, Dr. Nils Schmid (SPD), die Lage aus Sicht der Landespolitik dar. Lange sei man davon ausgegangen, dass die Bevölkerung schrumpfe. Insbesondere durch die Binnenwanderung (Arbeitsplätze!) habe Baden-Württemberg jedoch mehr Menschen unterzubringen, und durch die Flüchtlinge sei das Wohnungsproblem zusätzlich verschärft worden. Hinzu komme, dass es mehr Single-Haushalte gebe und sich das Wohnverhalten der Menschen ändere: mehr Wohnfläche pro Einwohner.

Drei Punkte nannte Schmid, die den Sozialen Wohnungsbau behinderten: Geld, Fläche und Vorschriften. Bezahlbare Wohnungen zu finden sei auch deshalb schwierig, weil die zeitlich befristete „Sozialbindung“ in vielen Fällen auslaufe, Wohnungen also jetzt auf den freien Markt kämen. Außerdem bremsten viele Baugenossenschaften den Sozialen Wohnungsbau, weil da die Renditen geringer seien. Die Bundesregierung habe reagiert und die Mittel für den Sozialen Wohnungsbau verdreifacht. Diesen Geldsegen muss das Land weitergeben, sollte aber, so Schmid, die eigenen dafür vorgesehenen Mittel dennoch aufstocken und keinesfalls kürzen. Man müsse auch versuchen, privates Kapital für diesen Zweck einzubinden. Ferner müsse man im Innenbereich der Städte stärker verdichten, aber auch vorsichtig neue Flächen ausweisen. Und schließlich gelte es, Vorschriften, die nicht unmittelbar der Sicherheit oder Gesundheit der Bewohner dienten, zu streichen.

Vom Land zur Region: Prof. Wilfried Nobel, für die SPD im Regionalparlament, gab Einblick in die Wohnungspolitik der Region. Grundsätzlich gelte es, den Konflikt zwischen Wohnraumbedarf und Schutz der Natur zu lösen. Daher wolle man Neubauflächen auf die sogenannten Entwicklungsachsen beschränken, also z.B. aufs Neckartal oder die Bereiche, die an der Autobahn oder an den Bundesstraßen B27 / B312 bzw. Bahnlinien liegen. Auch Nürtingen liege in diesem Bereich. Voraussetzung für die Genehmigung neuer Baugebiete sei allerdings auch in diesen Bereichen, dass die Hälfte des geplanten Wohnraums zunächst im Innenbereich geschaffen werden müsse, bevor neue Flächen im Außenbereich genehmigt würden. Die Regional-SPD verfolge das Ziel, die Wohndichte zu erhöhen. Die Ziele fasste er so zusammen: Man müsse „kompakt, sozial durchmischt und grün“ bauen.

Von der Region zur Stadt Nürtingen: Auch Stadtplanerin Susanne Schreiber begrüßte die Konzentration auf die Entwicklungsachsen. Was Nürtingen betrifft, sei zwar das “Integrierte Stadtentwicklungskonzept“, kurz ISEK, das der Gemeinderat beschlossen hatte, eine gute Grundlage. Allerdings gingen die Bevölkerungsprognosen noch von falschen Voraussetzungen aus. Neueren Schätzungen zufolge steige die Einwohnerzahl Nürtingen bis 2035 auf 43 000 Einwohner. Daraus errechne sich, dass über 5 Hektar Fläche für Wohnraum in Nürtingen fehlten. Also müsse verdichtet gebaut werden. Man sei bisher von 80 Einwohnern pro Hektar ausgegangen, wie auch im Baugebiet Gänslesgrund. Im geplanten Baugebiet Bergäcker, so Susanne Schreiber, müsse man auf mindestens 90 gehen.

Die Stadtplanerin machte auch deutlich, dass durch eine stärkere Verdichtung im Innenbereich der Individualverkehr verringert werde. Je mehr man im Außenbereich baue, desto stärker nehme auch der Verkehr zu. Ein anderes Problem sei das Eigentum an bebaubaren Flächen. Hier, meinte sie, müsse die Stadt vermehrt als Akteur auf dem Grundstücksmarkt auftreten („Bodenbevorratungspolitik“). Grundbesitzer müssten dazu gebracht werden, an die Stadt zu verkaufen, damit diese vorhandenen Flächen effektiver, also verdichteter bebaut werden könnten.

Im Anschluss an diese Impulsreferate diskutierten die Teilnehmer noch verschiedene Fragen. Susanne Schreiber hatte auch eine große Karte von Nürtingen mitgebracht, anhand derer sowohl einzelne Standorte als auch die Aspekte des Sozialen Wohnungsbaus lebhaft erörtert wurden. Die Nürtinger SPD, so Bärbel Kehl-Maurer, werde nach diesem erfolgreichen Auftakt weitere Veranstaltungen zu diesem Thema organisieren.