SPD-Chef Martin Schulz stößt Fragen an, auf die die SPD in den nächsten Jahren Antworten finden muss: Er schreibt an alle SPD-Mitglieder unter anderem:

„Spätestens seit Sonntag ist klar: Um wieder und dauerhaft erfolgreich sein zu können, müssen wir deutlich besser werden und zwar auf allen Ebenen.

Wir leben in einer Welt, die immer schneller wird, die immer mehr zusammenwächst und sich permanent verändert. Das 21. Jahrhundert hat große Herausforderungen mit sich gebracht, denen wir uns stellen müssen:
– Wie sorgen wir dafür, dass wir fortschrittlich bleiben und die Digitalisierung nicht Arbeitsplätze gefährdet, sondern neue schafft? Wie sorgen wir dafür, dass unser Bildungssystem zukunftsorientiert ist, internationalen Vergleichen standhält und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf dient?

– Wie gestalten wir eine moderne Gesellschaft, in der Frauen und Männer vollständig gleichberechtigt sind? In der alle die gleichen Chancen haben und nicht Herkunft, Name und Wohnort über die Zukunft entscheiden?

Wie machen wir unser Land gerechter? Wie sichern wir unsere sozialen Systeme, wenn unsere Gesellschaft immer älter wird und es mehr und mehr Selbstständige gibt?

– Wie gehen wir endlich konsequent damit um, dass wir auf einem Einwanderungskontinent leben? Wie viel Zuwanderung braucht unser Land und wie sorgen wir dafür, dass Menschen, die zu uns kommen, eine faire Chance haben und eine gerechte Behandlung erfahren?

– Wie schaffen wir es, als Land gemeinsam stark zu sein? Dass nicht auf der einen Seite die Ballungszentren bis an die Grenzen der Belastung florieren, während andere Regionen abgehängt werden oder gar aussterben?

Welche Antworten geben wir auf die zunehmende Angst, Überforderung und Verunsicherung in Teilen unserer Gesellschaft?

– Wie verteidigen wir, in unserer Tradition als Bollwerk der Demokratie, unsere Gesellschaft gegen die Rechtsextremisten?

– Wie kann Europa in unsicheren Zeiten zu mehr Frieden und Stabilität beitragen? Wie machen wir Europa zur Vorzeigeregion für die Versöhnung von Umwelt- und Klimaschutz mit wirtschaftlicher und industrieller Stärke?

Wir müssen uns als Partei diesen Fragen stellen, auch den unangenehmen. Wir werden streiten und zu gemeinsamen Positionen kommen müssen. Ein weiterer Wahlkampf, der sich diesen großen Fragen nicht stellt, ist zum Scheitern verurteilt. Deshalb geht es in den nächsten Jahren darum, Antworten zu finden. Es geht darum, eine neue Geschichte der Sozialdemokratie im 21. Jahrhundert zu definieren. Unser ganzer Kontinent steht vor epochalen Aufgaben und Veränderungen und es liegt an uns, diesen Wandel zu gestalten.

Wir müssen unsere Partei weiterentwickeln. Wir brauchen einen strukturellen, organisatorischen, inhaltlichen und strategischen Neuanfang. Das wird uns nur gelingen, wenn wir diesen als Partei gemeinsam gestalten. In den kommenden Tagen und Wochen werde ich Vorschläge machen, die uns helfen sollen, miteinander ins Gespräch zu kommen. Ich werde im ganzen Land unterwegs sein, um über die Ursachen unserer Wahlniederlage und die notwendigen Konsequenzen mit Euch zu sprechen.  Wir werden in der ganzen Partei sehr sorgfältig analysieren, wie wir besser werden können. Eine erneuerte SPD muss den Anspruch haben, die Regierung in Deutschland anführen zu können. Spätestens beim ordentlichen Parteitag 2019 werden wir die Weichen für 2021  stellen, um bei der nächsten Wahlauseinandersetzung wieder erfolgreich zu sein.

Wir haben über 150 Jahre für ein besseres und gerechteres Land und für ein freies und sicheres Europa gekämpft. Mehr denn je wird die SPD in diesen Zeiten gebraucht. Gerade die über 3.000 Neumitglieder, die nach der Wahl in die SPD eingetreten sind und die über 25.000 Mitglieder, die seit Januar zu uns gekommen sind, geben mir Hoffnung, dass wir die Kraft und Zuversicht dafür finden werden. Wenn wir solidarisch zusammenhalten und schreiten Seit´ an Seit´, wird uns das gelingen.“