(we) Die jüngste Mitgliederversammlung der Nürtinger SPD stand unter einem zentralen Thema: Wie kann es gelingen, unsere deutsche Demokratie zu verteidigen?
Lohnt es sich überhaupt, die Demokratie in unserem Land zu verteidigen? Rainer Arnold, SPD-Bundestagsabgeordneter im Wahlkreis Nürtingen, gab eine klare Antwort: „Ja, denn unser Grundgesetz ist das Beste, was Deutschland je passiert ist.“ Dies sehen auch die Bürgerinnen und Bürger so: relativ konstante 75% stimmten und stimmen der bundesrepublikanischen Demokratie zu. Aber, warnte Arnold, Demokratie sei nicht selbstverständlich; Bürgerinnen und Bürger müssten sich einmischen, Stellung beziehen gegen rassistische Sprüche und sich nicht wegducken. „Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf.“ Auch dürfe man sich von Fehlern oder Fehlentwicklungen (Managergehälter, Steuertricks) nicht irremachen lassen.
Dass viele Menschen gerade in der heutigen Zeit dem Staat kritisch gegenüberstehen, hänge auch mit schnellen Veränderungen auf vielen Gebieten zusammen: Stichwort Globalisierung. Es entstehe das Gefühl, dass die Regierung ohnmächtig sei, die Probleme zu erkennen bzw. zu lösen. Populisten, auch manche Fernsehjournalisten, förderten dieses Gefühl. Man brauche jedoch Geduld, einfache Lösungen für komplexe Probleme, wie manche vorgaukeln, könne es nicht geben. Hier zitierte Arnold Heribert Prantl von der „Süddeutschen Zeitung“, der es so formulierte: Ein Demokrat müsse versuchen, die „Probleme zu nesteln“, um dann zu „mehrheitlich getragenen Lösungen zu kommen.“ Ein Loblied auf den Kompromiss, das auch Arnold singt: „Unsere Gesellschaft ist durch Kompromisse erfolgreich.“
Dies gelte auch, trotz mancher Schwierigkeiten, für die Arbeit der Großen Koalition in den letzten drei Jahren. Arnold nannte als Beispiele: Mindestlohn, Rente mit 63, verstärkte Förderung des Sozialen Wohnungsbaus, das Bundesteilhabegesetz. Für die SPD sei die Richtung klar, in der Politik gemacht wird: Leitgedanken seien Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität. Viele Menschen würden sich gerade von der SPD in dieser Hinsicht viel versprechen, auch deshalb, weil diese Partei in der Vergangenheit viel für die Bürgerinnen und Bürger erreicht habe.
Scharf ging Arnold mit allen Populisten, also auch mit der AfD ins Gericht: das seien Leute, „die an den Schweinehund im Menschen“ appellierten, wie schon Kurt Schumacher seinerzeit festgestellt habe. Die Wähler der AfD gruppierte er in drei Gruppen: „alte Nazis“, die „post-faktische Gruppe“, also Menschen, die Tatsachen gegenüber unbeeindruckt sind, und Protestwähler. Dennoch müsse man mit diesen Leuten diskutieren, dürfe man sich „nicht wegducken“, sondern müsse sie „wegdiskutieren“. Auch wehrte sich Arnold gegen den Vorwurf, Politiker seien „abgehoben“: gerade der Beruf des Politikers führe dazu, dass man es ständig mit Menschen verschiedenster Couleur zu tun habe. Daher wisse er auch genau, was in der Bevölkerung gedacht werde.
SPD-Ortsvereinsvorsitzende Bärbel Kehl-Maurer hatte Mitglieder und Gäste begrüßt. Sie wies darauf hin, dass die bewährte demokratische Ordnung in einigen europäischen Staaten wie Ungarn oder Polen in Gefahr sei. Aber auch an Deutschland gehe die Diskussion nicht vorüber. Die sich an Arnolds Vortrag anschließende Gesprächsrunde zeigte, dass sich viele Menschen Sorgen um die Zukunft machen und dass auch Themen wie Umweltzerstörung und Arbeitsplatzverlust („Industrie 4.0“) ständig präsent sind. Das betreffe auch Europa: „Die EU geht vor die Hunde, wenn die Arbeitslosigkeit in den südeuropäischen Staaten so hoch bleibt.“