In der vollbesetzten Glashalle im Nürtinger Rathaus verlieh die Nürtinger SPD zum 34. Mal das „Ei der Heckschnärre“. Dieses bekommen Männer und Frauen aus Nürtingen, die ihr Revier „lauthals schnärrend“ verteidigen, wie dies einst die Heckschnärre (offiziell: Wachtelkönig) tat, als sie in den Nürtinger Gefilden noch genügend Lebensraum fand. Die diesjährige „Eierbrüterin“, Sigrid Emmert (Bild rechts), ist zwar eine leisere Schnärrerin, aber dafür schnärrte mit unermüdlichem Nachdruck und verteidigte somit ihr Revier: das der Nürtinger Bürgerinnen und Bürger und ihrer Vorfahren, das der Nürtinger Geschichte. Nicht ohne manchen Seitenhieb auf Menschen und Pläne, die kein Verständnis für unsere Vergangenheit aufbringen. Aber ohne unsere Geschichte zu erfahren, wissen wir nicht, wer wir sind und wie wir unsere Zukunft gestalten sollen.
Wenn man alles aufzählt, worüber Sigrid Emmert geforscht hat, so beeindruckt zunächst mal die Quantität. Wo nimmt die Frau nur die Zeit und Energie her, diesen vielfältigen Ereignissen, Zeugnissen, Lebensläufen nachzugehen. Zwar verteilen sich ihre Forschungen auf viele Jahre, aber wer weiß, wie viel Arbeitsstunden sich oft nur hinter einem einzigen Satz, hinter einer einzigen Aussage verbergen, der kann nur den Hut vor ihrer Arbeit ziehen – oder eben den Atem anhalten.
Menschen wie Sigrid Emmert braucht ein Land, braucht eine Stadt. Welche Schätze der Vergangenheit wären verloren oder würden im Vagen, im Ungefähren verbleiben, hätte man nicht Menschen, die ihre Heimat und ihre Geschichte so wertschätzten wie Sigrid Emmert. Als Historikerin brachte sie das nötige Rüstzeug mit, um ihren jeweiligen Forschungsgegenstand angemessen beurteilen und darstellen zu können. Und so ist es nicht nur die Quantität ihrer Arbeiten, die wir bewundern, sondern auch ihre Qualität.
Dr. Thomas Schnabel, Leiter des Stuttgarter Hauses der Geschichte, hob in seinem Festvortrag die Bedeutung von Heimatbewusstsein und Heimatforschung für das Leben und Denken der Menschen hervor. „Wer wirklich will, kann aus der Geschichte lernen.“ Im Zwiegespräch mit der Heckschnärre (vom Rathausgiebel schaut sie ja aufmerksam auf das Treiben in der Stadt) hegte die Preisträgerin zunächst Zweifel, ob sie den Preis annehmen könne. Doch die Heckschnärre riet ihr kräftig zu, außerdem tue sie ja dann etwas für die Frauenquote (Applaus im Saal). „Mein Neckar“, krächzte der gefiederte Wächter dann sein Leid hinaus, denn er bangte um die „zweitschönste Stadtansicht am Fluss“ (die schönste sei in Tübingen). Ein großes Hotel auf dem Filetstück am Ufer, das dürfe doch nicht wahr sein und widerspräche dem Geist aller Dichter, die den Neckar besungen hätten: „Welche Tränen müsste Mörike heute weinen“, so die Emmertsche Heckschnärre. In Anlehnung an Tübingen meinte der Vogel schließlich: „Die Nürtingen sollen so gescheit sein wie die Tübinger“ und dieses Neckarstück nicht verschandeln.
Ein ähnlichen Wunsch äußerte auch SPD-Ortsvereinsvorsitzende Bärbel Kehl-Maurer: „Ich wünsche mir, dass wir einen Kompromiss finden.“ OB Heirich, in der ersten Reihe sitzend, vernahm diese Worte wohl und auch den Schlusssatz der Preisträgerin: „Schnärret mer weiter – vielleicht hiilft’s“.
Anfangs hatte Bärbel Kehl-Maurer auch den SPD-Bundestagsangeordneten Dr. Nils Schmid mit Gattin sowie den baden-württembergischen Umweltminister Franz Untersteller begrüßen können. Auch waren wieder zahlreiche ehemalige Eier-Preisträger gekommen. Beim anschließend Fischbüffet, das die SPD-Fischweiber und –männer mit viel Liebe hergerichtet hatten, gab es noch lange Gespräche im Bürgertreff. (we)
Zu den Bildern:
Eierbrüterin Sigrid Emmert während ihrer Rede.
Edgar Holl begeisterte am Klavier mit flotten klassischen und Ragtime-Melodien in der vollbesetzten Glashalle.
Dr. Thomas Schnabel während seiner Festrede, in der darlegte, wie wichtig der Bezug der Menschen zu ihrer Heimat und zu ihrer Geschichte ist.
Aufmerksame Zuhörer: OB Heirich, Tülay Schmid, Dr. Nils Schmid, Bärbel Kehl-Maurer