Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Heirich,

am 17. Dezember soll der Nürtinger Stadtrat über die Zukunft des Melchior-Areals entscheiden. Zwei vorliegende Alternativen zur Finanzierung des geplanten Kultur- und Kunstzentrums sorgten bisher für kontroverse Diskussionen, ob sich die Stadt Nürtingen ein solches Zentrum leisten kann. Der Grund sind die sehr weit auseinander liegenden Kostenschätzungen. Während für das vom Neckartenzlinger Architekturbüro Hübner (plus + bauplanung) in einem Workshop mit den Vertretern der verschiedenen freien Kultureinrichtungen erarbeitete Modell rund 5 Millionen Euro sowie 1,5 Millionen Sanierungskosten für die bestehenden Gebäude veranschlagt wurden, geht der Wirtschaftsprüfer Storz von etwa 10 Millionen Euro Kosten aus. Der Grund für die höchst unterschiedliche Einschätzung der entstehenden Kosten liegt darin, dass von unterschiedlichen Baumaßnahmen und – ausstattungen ausgegangen wird. So sieht beispielsweise der vom Büro Storz bewertete Plan einen wesentlich höheren Ausstattungsstandard des Zentrums vor als nach Meinung der betroffenen Kultur- und Kunstschaffenden notwendig wäre.

Als einfaches und augenfälliges Beispiel möge der Bedarf an Parkplätzen dienen: Das Architekturbüro Hübner geht von 50 bis 64 Parkplätzen aus, das Büro Storz plant mit 120 Stellplätzen. Anders ausgedrückt: Es werden Äpfel mit Birnen verglichen und man wundert sich, dass man nicht auf die gleichen Ergebnisse kommt. Unter diesen falschen Voraussetzungen lässt sich trefflich streiten und – von Fall zu Fall auch – politisches Kapital daraus schlagen. Aber was hilft das der Stadt? Zumal vom Büro Storz nach eigener Aussage nicht der Nutzen eines Kunst- und Kultur-zentrums bewertet wird – das allein ist Aufgabe des Gemeinderats! , sondern nur die aus deren Sicht anfallenden Kosten.

Die wichtigste Frage blieb deshalb bisher – trotz heftigster Diskussionen – außen vor: Braucht und will Nürtingen überhaupt ein „Kunst – und Kulturzentrum“ ?

Genügt es Nürtingen sich einfach mit Begriffen wie „Schul- oder Hochschulstadt“ oder „Stadt am Fluss“ zu schmücken. Hauptsache, es kostet kein oder wenig Geld, die damit verbundenen Inhalte zu glaubhaft zu machen? Motto: Mehr Schein als Sein? Wir alle wissen, dass man jedes Projekt kaputt rechnen, ebenso wie man es natürlich auch schönrechnen kann. Nur sollte man vor jeder Kalkulation zuerst die Grundsatz-frage des „Wollen wir / Brauchen wir?“ und danach „Wie genau sollte das dann aussehen bzw. ausgestattet sein?“ beantworten.

Unabhängig davon ist allerdings Fakt, dass allein die Sanierung der bestehenden Gebäude auf dem Melchior-Areal ohne die zusätzlichen zur Diskussion stehenden Baumaßnahmen laut Büro Storz jetzt schon 4,3 Mio. Euro kosten würde ! Wir von der SPD-Fraktion sind der Meinung, dass Nürtingen allein schon aus ihrem städtischen Selbstverständnis heraus ein Kunst- und Kulturzentrum braucht. Und dass die Stadt als Eigentümerin des Melchior-Areals die besten Vorausetzungen hat ein solches Zentrum zu etablieren.

Aus diesem Grund haben wir folgendes Modell für die Realsierung des Kunst- und Kulturzentrums entwickelt: Das Projekt „Kunst- und Kulturzentrum“ Melchior-Areal ist weder kurz- noch mittelfristig zu realisieren. Aus unserer Sicht ist dafür eine Zeitspanne von 10 Jahren anzusetzen. Das erfordert ein entsprechendes Konzept mit einer langfristigen, aber dennoch exakten Termin- und Aktivitätenplanung. Ein solches Konzept muss natürlich noch erarbeitet werden. Voraussetzung unseres Modells ist, dass sich ein Trägerverein mit einem hauptamtlichen, professionellen Geschäftsführer gründet und die einzelnen Abmachungen mit der Stadt vertraglich geregelt und festgeschrieben werden. Die Stadt Nürtingen sollte sich bei dem Projekt mit einer Investition von 5 Mio. Euro engagieren. Darüber hinaus sollte die Stadt für die kommenden 10 Jahre das Zentrum jährlich mit jeweils 350.000 Euro für die Betriebskosten unterstützen. Somit kann ein künftiger Trägerverein die LASKS-Mittel beantragen und auch die Mieteinnahmen an die Stadt zahlen.

Weitere Investitions- und Betriebskosten sollte und könnte ein Trägerverein finanzieren. Zur Refinanzierung könnte die Stadt die frei werdenden Gebäude verkaufen. So käme Nürtingen zu einer nach kurzer Zeit über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Einrichtung und würde als Stadt mit Sicherheit zusätzlich an Attraktivität gewinnen.

Nürtingen: Nicht nur „Stadt am Fluss“ oder „Schulstadt“, sondern auch KULTUR AM FLUSS! Lassen Sie uns gemeinsam nach einer solchen Lösung suchen. Das wird zunächst etwas Zeit kosten. Wir beantragen deshalb, 1. dass der TOP „Melchior-Areal“ von der Tagesordnung der Sitzung am 17. Dezember 2013 abgesetzt und auf eine Sitzung im kommenden Jahr verschoben wird. 2. dass dieses Modell als weitere Möglichkeit das Kunst- und Kulturzentrum zu realisieren in den Entscheidungsprozess einbezogen und geprüft wird.
Bärbel Kehl-Maurer, Dr. Hans-Wolfgang Wetzel