Manuel Werner erhielt am Aschermittwoch das „Ei der Heckschnärre“ überreicht. Er war der 32. Preisträger; das „Ei“ wird von der Nürtinger SPD seit 1984 Personen übergeben, die, wie einst die Heckschnärre, „ihr Revier aufrecht verteidigt“. Die Urkunde, die Manuel neben dem Ei erhielt, trug folgenden Text: Manuel Werner hat sich mit der Erforschung jüdischen Lebens zur Zeit des Dritten Reiches in Nürtingen einen Namen gemacht. Auch vielen Schicksalen der verfolgten Sinti und Roma ist er nachgegangen und hat sie dokumentiert. In den letzten drei Jahren arbeitete er innerhalb einer Gruppe engagierter Nürtingerinnen und Nürtinger an der Aktion „Denk Ort“. Damit wird an Männer, Frauen und Kinder aus Nürtingen und Umgebung erinnert, die unter der Herrschaft des Nationalsozialismus ermordet wurden. Manuel Werner geht es um eine gerechte Sicht auf Minderheiten und um das Recht und die Pflicht auf Erinnerung. Sein „Revier“ sind also unterdrückte oder benachteiligte Mitmenschen, denen er ihre Würde zurückgibt.

In ihrer Begrüßung stellte Nürtingens SPD-Vorsitzende Bärbel Kehl-Maurer die Frage, ob man aus der Geschichte lernen könne. Das, was Manuel Werner erforscht und veröffentlicht hat, diene genau diesem Zweck. Aus den Schicksalen der unter der Herrschaft des Nationalsozialismus Verfolgten, die er aufbereitet hat, könne man lernen: So etwas dürfe nie wieder passieren.

Als Hausherr war OB Otmar Heirich stolz darauf, dass die Glashalle im Rathaus mehr als voll besetzt war: das sei eine Bestätigung für die Arbeit, die Manuel Werner gegen manche Widerstände geleistet habe.

Gisela Erler, Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg, hob insbesondere hervor, dass Werner die Opfer in den Blick gerückt habe. Gerade in der heutigen Zeit sei es wichtig, die Menschen in den Mittelpunkt zu rücken, die unterdrückt und bedroht werden: das Ei der Heckschnärre bekomme mit Manuel Werner „der Richtige zur richtigen Zeit“. Das „demokratische Revier“, das Werner verteidige, passe recht gut in die heutige Zeit, sei ein starkes Gegengewicht gegen „rechte Tendenzen“.

Manuel Werner sei ein aktives, typisches Beispiel für das, was man unter „Zivilgesellschaft“ versteht. Diese sei, betonte Gisela Erler, ausschließlich geprägt durch „liberale, demokratische Bürger“, sie könne niemals durch rechtsextreme, menschenverachtende Gruppen repräsentiert werden. Manuel Werner sei ein Beispiel für Zivilcourage, für den Mut, sich der Vergangenheit zu stellen und sie aufzuarbeiten. „Engagement lebt durch die Menschen“. Und wenn es einer schaffe, schloss Erler ihre Laudatio, das Ei der Heckschnärre auszubrüten, dann sei es Manuel Werner.

Manuel Werner nahm in seiner Rede direkt Bezug auf den zuvor erstmals öffentlich gezeigt Kurzfilm „Mein Herz weint“ (Regie: Wolfgang Wetzel). Das kurze Lied, komponiert in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts, wurde von Robert Reinhardt neu getextet. Er geißelt darin den Mord an den Sinti und Roma während des Dritten Reiches. Werner geht es darum, diese Menschen nicht zu vergessen, auf ihr Schicksal hinzuweisen und ihnen damit ihre Würde zurückzugeben. Anton Köhler, ein Sinti-Junge, wird sowohl in dem Film als Beispiel gezeigt als zur Zeit auch in der Aktion „Denk Ort“ an der Schautafel an der Kreuzkirche in Nürtingen.

In sehr persönlichen Worten schilderte Manuel Werner, wie er dazu kam, sich mit der Geschichte und Verfolgung der Juden einerseits, der Sinti und Roma andererseits zu beschäftigen. „Verlogenheit und Vertuschung dürfen nicht das letzte Wort haben.“ Deutlich sprach Werner auch die heutige Flüchtlingssituation an. Er wandte sich gegen das Etikett „sichere Herkunftsländer“, gegen den diskriminierenden Begriff „Wirtschaftsflüchtlinge“, gegen Politiker wie Petry oder Seehofer, gegen Pressekampagnen gegen Roma oder andere Flüchtlinge aus den Balkanstaaten: „Dort sitzen doch nicht lauter Verbrecher.“ Sein Fazit: „Es braucht Wächter der Erinnerung, dass wir nicht immer in neue Katastrophen stolpern.“

Diese ernsten Worte hallten nach, und die Musikgruppe Kleztett unter Beteiligung des Nürtingers Werner Dürr unterstrich diese Worte durch eine zwischen Nachdenklichkeit und Schwung changierende Musik, die ihre Wurzeln im jüdischen Stetl und in den Balkangebieten hat.

Anschließend, beim Fischbuffet im Bürgertreff, wurden die angesprochenen Gedanken noch weiter vertieft. Viel Lob gab es von allen Seiten für die Auswahl des neuen „Eierträgers“ und für Flair und Stimmung der ganzen Veranstaltung.