(we) Theoretisch hätte sie die neue Bürgermeisterin von Oullins werden können: Joëlle Sechaud, in Nürtingen bestens bekannt durch ihre langjährigen Kontakte zur Nürtinger SPD. Nur fehlte ihr die nötige Mehrheit. Im Rahmen einer von Bärbel Kehl-Maurer angeregten Gesprächsrunde berichtete sie von der politischen Situation in Frankreich.
Dass die Oullinser Stadträtin Joëlle Sechaud, die der Parti Socialiste (PS) angehört, keine Mehrheit bekam, liegt an der derzeitigen Schwäche der Linken in Frankreich. Die PS hat in Oullins nur drei Sitze, und auch mit anderen Linken zusammen (die sie als Kandidatin aufgestellt hatten) sind sie deutlich in der Minderheit. Gewählt wurde Clothilde Pouzereue. Der langjährige Bürgermeister Francois-Noël Buffet war zurückgetreten, nachdem der frühere französische Präsident Hollande ein Gesetz auf den Weg gebracht hatte, das Politikern verbot, zwei Mandate gleichzeitig auszuüben. Ein, wie Sechaud meinte, gutes Gesetz.
Dass Hollande bei weiten Teilen der Bevölkerung unbeliebt war, hing damit zusammen, dass sich die Franzosen eine andere Politik gewünscht hatten, ja, dass ihre Erwartungen an Hollande nicht erfüllt worden seien. Er wollte es wohl vielen recht machen und hat zum Teil durch eine Schaukelpolitik viele verärgert. Auch seine eigene Partei, die PS, hatte er nicht im Griff, die Gruppe der „Frondeurs“ stimmte stets gegen ihn. Gut fand Joëlle Sechaud seine Schulpolitik: Hollande wollte erreichen, dass insbesondere die Grundschulkinder in dem strengen französischen System weniger Unterricht, dafür mehr Zeit für musische oder sportliche Aktivitäten in der Schule hätten. Dagegen hätten sich aber viele Kommunen aus finanziellen Gründen gewehrt und die Reform blockiert.
Zu dem neuen Präsidenten Macron hat sie noch keine abschließende Meinung. Seine bisherigen Maßnahmen hätten vor allem den Unternehmern und den Reichen genützt: deren Steuerlast wurde reduziert, den Armen wurde jedoch die Wohnhilfe gekürzt. Gar nicht gut findet sie, dass er sich auch mit negativen Worten über die Armen und Arbeitslosen geäußert habe. Seine teilweise arrogante Art und sein demonstratives Machtbewusstsein habe ihm den Spitznahmen „Jupiter“ eingetragen. Positiv sieht Sechaud sein europäisches Engagement. Aber sie sagt ganz deutlich: „Wenn Macron scheitert, wird Marine Le Pen kommen.“
Die französische Parteienlandschaft wurde durch Macron durcheinandergewirbelt. Ihrer Parti Socialiste gehe es zur Zeit ziemlich schlecht. Einige frühere Mitglieder sind ausgetreten und haben sich der Macron-Bewegung angeschlossen. So auch der Gemeinderat Jean-Louis Ubaud aus Oullins, der früher mehrfach im Rahmen des SPD-Austausches in Nürtingen war. In der französischen Nationalversammlung sitzen heute nur noch 30 PS-Abgeordnete; Teile des PS-Vermögens in Paris mussten bereits verkauft werden. Bis zu den nächsten Wahlen werden (2020 für die Metropolregionen, zu denen auch Lyon/Oullins gehört, vermutlich ein Jahr später dann die Kommunalwahlen) müsse sich die PS eine neue Führung wählen. Noch ist Joëlle Sechaud zuversichtlich und hofft, dass sich die französischen Sozialisten nicht ganz auflösen werden.