Offener Brief der drei Gemeinderatsfraktionen SPD, Nürtinger Liste/Grüne und NT14 zur geplanten Bürgerbeteiligung „Hotel am Neckar“.
Die aktuelle Entwicklung um das Hotel am Neckar hat uns zu einem ungewöhnlichen Schritt bewogen. Drei Fraktionen des Gemeinderats, Nürtinger Liste/Grüne, NT14 und SPD, wenden sich mit einem offenen Brief an die Nürtinger Bürgerinnen und Bürger. Wir sind drei Fraktionen von insgesamt sechs, allerdings die „kleinere Hälfte“, so dass unsere Argumente, Einschätzungen und Einwände all zu oft auf der Strecke bleiben, oft genug mit drei oder vier Stimmen Mehrheit.
Zwei Themen beschäftigen uns: Erstens die nun geplante Bürgerbeteiligung. So sehr wir uns freuen, dass damit eines unserer wesentlichen Anliegen aufgegriffen wurde: Sie wie diese nun geplant ist, wird sie kaum zu einer echten Befriedung beitragen können. Zunächst ist das Thema sehr vage gehalten, und dann scheinen nach wie vor zwei Behauptungen bestimmend zu sein: Die Stadt bräuchte unbedingt ein Hotel an dieser Stelle, und der von allen Bürgern gewünschte Biergarten ließe sich nur in Verbindung von beidem verwirklichen. Hotel, Gastronomie, Biergarten und Investor („der einzige Interessent“) wären also weiterhin gesetzt. Damit blieben für die Bürgerbeteiligung im Wesentlichen nur Überlegungen zur Gestaltung der Gebäude und der Freifläche zwischen Biergarten und Neckar. Die Stadt weist darauf hin, dass, falls die Setzung „Hotel, Gastronomie und Biergarten“ von den Bürgern nicht akzeptiert würde, das einem „Verzicht auf Aufenthaltsqualität“ an diesem Stück Neckar gleich käme. Wir weisen diese Kopplung entschieden zurück. Unser Ziel ist nach wie vor die gemeinsame Entwicklung eines lebens- und liebenswertens Stücks „Stadt am Fluss“ für alle Nürtinger Bürger. Dieser Prozess benötigt einen absolut transparenten, unvoreingenommenen, neutralen, professionell durchgeführten Beteiligungsrahmen mit klar definierter Zielsetzung und Beteiligung. Es muss sicher gestellt werden, dass den Bürgern sämtliche Informationen und Fakten zugänglich sind. Das heißt, auch die Argumente der Bürgerinitiative sowie die Position der Nürtinger Hoteliers müssen gleichberechtigt Raum bekommen. Derartige Beteiligungsprozesse sind längst üblich, die Kriterien für einen gelingenden Prozess sind erprobt. Die „Entscheider“ (Stadtverwaltung, auch Citymarketing etc) halten sich üblicherweise weitgehend heraus. Sie sollen nicht in das Beteiligungsverfahren eingreifen. Ihnen kommt nach Abschluss des Verfahrens im Gemeinderat das letzte Wort zu.
Unser zweites Thema ist das Anliegen der ortsansässigen Hotelbetreiber Vetter, Stiefelhagen und Pflum. Gemeinsam und eindringlich beziehen sie Position zu ihrer Situation, ihren Plänen und der immer wieder geäußerten Sorge um fehlende Hotelzimmer. Zu unserer Verwunderung sind sie nie offiziell um ihre Einschätzung und Einsicht in ihre Vorhaben gebeten worden. Die von ihnen geplanten Maßnahmen mit Erweiterung bzw. Neubau können und sollen zeitnah umgesetzt werden. Sie wirken damit nicht zuletzt einem etwaigen Engpass an Hotelbetten in Nürtingen und Umgebung entgegen. Auch innovative Konzepte sind geplant und sollen zur Entwicklung einer lebendigen Stadt beitragen. Weshalb spielen diese wesentlichen Aspekte beim Thema „Hotel am Neckar“ bisher keine Rolle? Wir sind der Meinung, dass die Nürtinger Hotelbetreiber zurecht um Gehör und unsere Unterstützung bitten. Bisher war es im Gemeinderat guter Brauch, die lokale Wirtschaft, die örtlichen Unternehmer und Handwerker als wichtige, sachkundige und ortsverbundene Partner der Stadt zu berücksichtigen. Ihre fachlichen Einschätzungen und Argumente sollten ernst genommen werden. Ein weiteres zusätzliches Hotel am Neckar ist nach Bekanntwerden ihrer Pläne nicht nur überflüssig, sondern eventuell Anlass zu einem vermeidbaren, ggf. ruinösen Wettbewerb. Wettbewerb ist grundsätzlich frei, das ist richtig. Aber würden wir denn mit der Veräußerung des Grundstücks am Neckar an einen Hotelinvestor nicht massiv selbst in den Wettbewerb eingreifen? Das wollen wir nicht. Und keinesfalls wollen wir das Grundstück am Neckar dafür an einen Investor veräußern.
Aus diesen Gründen fordern wir: Rücknahme des Beschlusses, ein Hotel am Neckar zu bauen. Auseinandersetzung mit den Argumenten der Nürtinger Hotelbetreiber und Unterstützung bei der Umsetzung ihrer Vorhaben. Durchführung einer professionellen, unvoreingenommenen Bürgerbeteiligung. Einbeziehung der Anrainer. Nutzung der fachlichen Kompetenz unserer Fachhochschule. Nutzung und Einbeziehung der Planung zur Landesgartenschau. Förderung der bereits vorhandenen Aufenthaltsqualität mit Biergarten Schlachthofareal, Biergarten Ruderclub, dem aktuellen mobilen Biergarten am Neckar, der weiteren Gastronomie am Neckar, dem Neckarufer an der Fischtreppe u.v.a. Vor allem aber bitten wir um eine echte Chance, die aufgeheizte Debatte in der Stadt zu befrieden, weiteren Schaden von der Stadt abzuwenden und stattdessen gemeinsam mit vielen Beteiligten ein lebendiges Stück „Nürtingen am Neckar“ zu entwickeln.