Der Redebeitrag der SPD zum Haushaltsdebatte 2025 im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Fridrich,
sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Bürkner, Herr Technischer Beigeordneter Martin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren!
„Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“ Aristoteles
Unsere Gegenwart ist geprägt durch die Kriege u. a. in Israel und der Ukraine, durch Vertreibung und Flucht sowie die Klimakatastrophen.
So nannten Anfang September 2024 im Rahmen einer Umfrage zu den derzeit größten Problemen, mit denen die deutsche Gesellschaft und die Politik konfrontiert ist, 48 % das Thema Zuwanderung und Flucht.
Diese Aussagen können wir nicht einfach ignorieren. Wir müssen die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen! Wenn wir nicht offen darüber diskutieren und gemeinsam nach Lösungen suchen, wenden sie sich von der Demokratie ab. Auch ist öfter festzustellen, dass dann Einzelinteressen über die Interessen der Gemeinschaft gestellt werden.
Gefragt sind hier natürlich in erster Linie die Bundesregierung und die Parteien im Bundestag. Aber auch wir in den Kommunen.
Wenn wir uns der Debatte nicht stellen, dann werden die politischen Kräfte gestärkt, die die Sorgen und Ängste der Menschen für ihre Strategien nutzen. Demokratie lebt vom politischen Diskurs, von der Suche nach Lösungen. Demokratie erfordert auch das Verteidigen von Werten wie Vielfalt – Toleranz und Freiheit. Die „Lange Nacht der Demokratie“ am 2. 10.2024 hat dafür ein klares Zeichen gesetzt.
Besonders in Zeiten der Veränderung, die wir gerade erleben, der großen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und industriellen Umbrüche, sind soziale Themen wie Wohnen, Bildung und Bürgerbeteiligung umso wichtiger. Unsere Stadtgesellschaft – gerade hier in Nürtingen – als überschaubarer Kosmos kann ein Anker, ein Fixpunkt sein.
Haushalt und Verwaltung
Haushalten heißt vorhandene Mittel sinnvoll und effizient einsetzen!
Für uns in NT heißt das, dass wir mit dem vorhandenen Geld zum einen laufende Kosten bestreiten und gleichzeitig zukunftsweisende Projekte realisieren.
Aber um dies zu erreichen, bedarf es einer strategischen Planung für die nächsten Jahre. Und darauf aufbauend einer realistischen Finanzstrategie.
Wir können der von OB Fridrich gestellten Frage: „Wie schaffen wir es, realistischer zu planen?“ nur zustimmen. Wir begrüßen es, dass dem Haushalt 2025 eine realistische Planung zugrunde gelegt wurde. Dazu diente auch der lobenswerte Eckwertebeschluss. Genau das fordern wir schon seit Jahren. Es kann doch nicht sein, dass für Investitionen Mittel in den Haushalt eingestellt werden. Und danach wiederum jedes Jahr Millionen nicht ausgeschöpfter Gelder übertragen werden müssen.
Ausdrücklich begrüßen wir deshalb die vorgenommenen Kürzungen durch die Stadtverwaltung, damit wir unter dem vorgegebenen Schuldenlimit bleiben. Damit werden auch Probleme bei der Genehmigung des Haushaltes durch das Regierungspräsidium vermieden.
Trotzdem können wir zuversichtlich in die Zukunft sehen, wenn es um den Haushalt geht. Als neuer Gemeinderat können und müssen wir uns jedoch mit folgenden Fragen auseinandersetzen:
- Wie soll Nürtingen im Jahre 2030 aussehen?
- Wie muss Nürtingen wachsen, um die vorhandene Infrastruktur zu erhalten und zu verbessern?
- Wie sieht unsere Baulandstrategie und unsere Strategie beim Thema Wohnen aus?
- Wie können wir unsere Stadtverwaltung zukunftsfähiger machen z.B. durch Digitalisierung.
Für uns heißt das nicht, ISEK wieder neu aufzulegen. Sondern einen Masterplan „Nürtingen 2030“ zu entwickeln – ausgehend von den Handlungsfeldern und der sich daraus ergebenden mittelfristigen Finanzplanung. Dazu gehören u. a. der Hochwasserschutz, weitere Sanierungen in den Schulen, Ausbau der Ganztagesbetreuung. Letztendlich geht es um die Stärkung Nürtingens als Mittelzentrum.
Zur anstehenden Grundsteuerreform bekommen wir in den letzten Wochen immer wieder Anfragen. Viele unserer Bürgerinnen und Bürger sind verunsichert. Wenn wir aber die Grundsteuer einkommensneutral gestalten wollen, dann müssen die Hebesätze nach unten korrigiert werden.
Zweifellos wird es in Einzelfällen zu Härten kommen.
Die Landesregierung hätte dies vermeiden können, wenn sie beizeiten – wie in anderen Bundesländern – Ausführungsbestimmungen konzipiert hätte, die auch Sonderregelungen zu lassen. So sorgt die derzeitige Ungewissheit leider für großen Unmut und Verunsicherungen bei den Grundstückseigentümern.
Der Haushalt ist geprägt durch die folgenden 5 Schwerpunkte, die wir als SPD seit Jahren sehen:
- Bildung
- Wohnen
- Klimaschutz und Mobilität
- Stärkung des sozialen Zusammenhalts.
Wohnen ist das soziale Thema unserer Zeit. Es ist das Thema für die Menschen, für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt. Das ihren Alltag prägt, das ihnen große Sorgen bereitet.
Die Anzahl der Menschen über 65 Jahre, die keine Wohnung haben, die in städtischen Unterbringungen dann leben müssen, nimmt zu. Auch die Anzahl der Familien. Allein mit Bedauern kommen wir hier nicht weiter. Sondern wir als Stadt müssen aktiv werden. Wir müssen die Chancen, die uns die Stadtentwicklungsgesellschaft bietet, ausschöpfen. Einen Schwerpunkt sehen wir beim sozialen Wohnungsbau und nicht nur bei den Grundstücks-Verkäufen und – Ankäufen.
Einen weiteren Schwerpunkt sehen wir in der Unterstützung des Einzelhandels. Dabei ist immer wieder schnelles Handeln erforderlich, wenn es um den Kauf von Gebäuden geht. Dazu könnte auch die Stadtentwicklungsgesellschaft dienen, wenn sie sich etabliert hat.
Vorfahrt für die Bildung
Unser Ziel ist es seit Jahren, dass Bildung und Kinderbetreuung bei Investitionen Vorfahrt haben.
Ja, wir haben in den letzten 5 Jahren rund 60 Millionen Euro in die Bildung investiert. Das Hölderlin Gymnasium, die Friedrich-Glück-Schule, die Theodor-Eisenlohr-Schule sind saniert, das Hölderlinhaus, das Kinderhaus in Neckarhausen und die Digitalisierung in den Schulen. Darauf können wir stolz sein.
Es sind die Voraussetzungen dafür, damit Schülerinnen und Schüler gut lernen können. In den Schulen findet Integration und Inklusion statt, dort wird Demokratie eingeübt.
Aber wir haben noch weitere Baustellen im wahrsten Sinne des Wortes zu bewältigen bzw. voranzutreiben: den Ausbau der Roßdorf Grundschule mit dem Angebot für die Ganztagesbetreuung und das Max-Planck-Gymnasium, das dringend neue Räume, Mensa und Sporthalle benötigt. Und nicht zu vergessen die Einführung des G9 ab dem Schuljahr 2025/26.
Daher sollten wir uns dringend mit der Schulentwicklungsplanung auseinandersetzen. Ziel muss ein zukunftsfähiges Bildungssystem für unsere Schülerinnen und Schüler in Nürtingen ein.
Wir begrüßen es ausdrücklich, dass die Stadtverwaltung neuen Ideen unterstützt – so die Spielzeitbetreuung in einigen Kitas oder die Tiagr. Beim Thema Fachkräfte werden wir neue Wege beschreiten müssen. Z. B. mit einer Ausbildungsvergütung für künftige Erzieherin bzw. Erzieher. Oder den Einsatz von Verwaltungskräften in den Kinderhäusern.
Klimaschutz und Mobilität vor Ort stärken und weiter ausbauen!
Der Klimaschutz ist inzwischen größtenteils fester Bestandteil aller Planung von städtischen Projekten, so dass die Stadt ihrer Vorbildfunktion nachkommt. Dass dies nicht immer so war, zeigt die Planung für den Schillerplatz. Jetzt hat der Bauausschuss beschlossen, doch mehr Bäume zu pflanzen, was dringend notwendig ist, wenn der öffentliche Platz als Begegnungsort auch während der heißen Sommer genutzt werden soll. Kostengünstiger wäre es gewesen, gleich mehr Bäume einzuplanen.
Aber es gibt noch viel zu tun, deshalb stellen wir zur sozial-ökologischen Wende in Nürtingen einige Anträge:
- Mehr Grün in die Stadt bringen – 1.000 (Klima-) Obstbäume Programm
- Die Fortsetzung der Ausbauoffensive für Solar- und Photovoltaik-Anlagen
- Nutzung städtischer Liegenschaften – insbesondere Parkplätze für die Errichtung von PV-Anlagen
- Einen Sanierungsfahrplan für die städtischen Gebäude zu erstellen
- Das Team „Kommunale Wärmeplanung“ zu unterstützen
- Ein Klimafolgen-Konzept zu erstellen, um die Nürtinger und ihre Gesundheit zu schützen
Nachhaltige Mobilität ist eng mit dem Klimaschutz und der Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürgern verknüpft. Die Verbesserung und der Ausbau des ÖPNV ist ein wichtiger Baustein, wenn es um nachhaltige Mobilität geht. Aber es geht auch darum, durch geeignete Maßnahmen die Lebensqualität in einzelnen Quartieren zu sichern. Dazu gehört u. a.
- ein Parkraumkonzept in einzelnen Quartieren und
- die testweise Schließung des Überfahrtsbereichs Strohstraße – Lampertstraße oder
- eine Testphase für einen Super-Block in der Kirchheime Vorstadt.
Diesen Antrag stellen wir gemeinsam mit der Fraktion NL/Grüne.
Gesundheitsversorgung – Soziales
Große Sorgen bereitet den Bürgerinnen und Bürger der sich bemerkbar machende Mangel an Hausärztinnen und Hausärzten. „Bekomme ich einen Termin beim Hausarzt? Nimmt mich noch ein anderer Hausarzt, wenn mein Hausarzt seine Praxis schließt?“ Bereits zur Gesundheitsversorgung haben wir einem Antrag am 7. 3. 2024 gestellt. Wir fordern, dass die Stadtverwaltung in eine konkrete Hausärzte-Planung für Nürtingen einsteigt, dazu gehören Infrastruktur und Unterstützung anzubieten.
Einbindung und Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger
Wenn ich alle diese Herausforderungen sehe, mit denen wir konfrontiert sind, dann weiß ich, dass wir dies nur bewältigen können, wenn wir auch die Nürtinger Bürger beteiligen – zeitig, auf Augenhöhe, respektvoll.
Wir wünschen uns bei den anstehenden Haushaltsberatungen, dass wir offen mit neuen Ideen umgehen, sie diskutieren, dass wir unsere Chancen nutzen.
Wie heißt es = Setzen wir die Segel anders.
Abschließend: Wir bedanken uns bei Frau Sautter und ihrem Team für das Erstellen des Haushaltsplan 2025 sowie Finanzplanung.
Wir bedanken uns für die gute Zusammenarbeit innerhalb des Gemeinderates sowie für die gute Zusammenarbeit von Gemeinderat und den Mitarbeitern der Stadtverwaltung.
Vielen Dank!
Bärbel Kehl-Maurer, Fraktionsvorsitzende