10. November 2020
SPD Haushaltsrede zum Haushalt 2021 im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Fridrich,
sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Bürkner,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Unsere Zukunft entscheidet sich im Tun oder Lassen. Das gilt insbesondere für die Zeit, die wir alle gerade erleben. Ob es nun Maßnahmen sind um die Corona-Pandemie einzudämmen, wie wir mit dem Klimawandel, der Altersarmut, der Wohnungsknappheit oder mit Flüchtlingen umgehen.
Die Corona-Krise prägt unsere Gesellschaft und zwar in allen Bereichen. Die Veränderungen, die damit verbunden sind, werden unser Leben in den Städten und Gemeinden nachhaltig beeinflussen.
„Die Corona-Pandemie ist kein Startschuss, sondern ein Beschleuniger für den Wandel“, so formuliert dies Susanne Dürr, Professorin für Architektur und Bauwesen an der Hochschule Karlsruhe. Ihrer Meinung nach reicht es nicht das Wohnen an sich zu betrachten, sondern dass es bei unserer Stadtplanung stärker um das „Leben im Wohnen“ gehen muss. Dass dabei die Verbindung zwischen Arbeit, Freizeit und Familie neue Strukturen braucht.
Nüchtern betrachtet hat also Corona wie ein Brennglas oder auch wie eine starke Lupe gewirkt. Hat so aufgezeigt, wo die Herausforderungen, die Handlungsfelder sind, – wo sie allerdings auch schon vor Corona lagen! Diesen Wandel, diesen Umbruch heißt es bewusst zu gestalten, mit neuen Ideen voranzugehen, Mut zu zeigen. Diese Chance zu nutzen.
Selbstverständlich dürfen wir nicht die derzeitige Situation in der Stadt außer Acht lassen.
Und hier – das betonen wir nochmals – müssen wir vor Ort all das machen, was die Stadt leisten kann, um wirtschaftliche und soziale Härten in der
Krise abzumildern. Dabei denken wir an die Nürtinger Betriebe, an unsere Kulturschaffenden, die sozialen Einrichtungen, die Vereine und damit auch an unsere Bürgerinnen und Bürger.
An dieser Stelle bedanken wir uns bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung für ihre geleistete und engagierte Arbeit in den letzten Monaten. Immer wieder sind sie vor neue Herausforderungen gestellt worden und mussten schnell und nachvollziehbar handeln. Und es wird leider auch in den kommenden Monaten nicht einfacher werden.
Wie sieht die Haushaltssituation der Stadt Nürtingen 2021 aus?
Frau Lieb hat in ihrem Artikel über die Haushaltseinbringung 2021 geschrieben: „Die Stadt Nürtingen steht finanziell besser da als befürchtet. Das liegt aber weniger am eisernen Sparwillen als vielmehr am Investitions- und Sanierungsstau.“ Und Herr Fridrich fordert – völlig zu Recht – realistischere Planungen. Was kann ich diesen Aussagen hinzufügen? WENIG.
Denn wir als SPD sehen uns darin nur bestätigt. Seit Jahren fordern wir, dass endlich gehandelt und nicht nur geplant wird, dass nicht über die scheinbar fehlenden Haushaltsmittel lamentiert wird und Hochrechnungen über die evtl. Kredite erstellt werden, die sowieso seit Jahren nicht aufgenommen werden müssen.
Wir müssen endlich ins Tun kommen! Damit wir uns richtig verstehen: ein stabiler Haushalt erleichtert es uns, Entscheidungen zu treffen.
Aber meistens sind ja die Entscheidungen schon getroffen worden, aber
➥ es hat sich nur wenig oder gar nichts getan.
Die GWN hat auch 2020 wieder mal nur weniger als die Hälfte der 15 Millionen für die Realisierung der beschlossenen Projekte ausgegeben. So zeigt sich nur ein Bild eines Investitions- und Sanierungsstaus. Wir hoffen, dass, wenn jetzt mehr Mitarbeiter eingestellt worden sind, wenn die Struktur greift, die wir beschlossen haben, wenn Projekte schneller verwirklicht werden können, dieser Investitions- und Sanierungsstau endlich abgebaut wird. Wichtig ist uns auch, dass die Kostenansätze für die einzelnen Projekte realistisch sind und ein konsequentes operatives Controlling erfolgt, so wie es Frau Sautter gefordert hat.
Unsere Haushaltslage wird sich auch dadurch verbessern, weil die Kreisumlage gesenkt wird und Nürtingen damit 700.000 €uro zusätzlich in der Kasse bleiben und so zur Weiterentwicklung verwendet werden – im Übrigen auch dank der Unterstützung der Kreistagsfraktion der SPD.
Unser Fazit:
Für uns als SPD bedeutet das aber, dass wir eine Prioritäten- und Maßnahmenliste brauchen, eine solide Kostenaufstellung ohne spätere große Überraschungen, damit wir trotz unser schwierigen Finanzsituation die konkret geplanten Projekte umsetzen können. Auch das ist eine Forderung, die wir seit Jahren erheben.
Über die akuten Herausforderungen hinaus muss es unser Ziel sein, unsere langfristigen städtischen Ziele weiterzuverfolgen. Dazu zählen insbesondere unsere Schwerpunkte Bildung, Wohnen und die sozial-ökologische Wende. Seitens der SPD-Fraktion sehen wir für Nürtingen – wie bereits in den letzten Jahren – die folgenden Handlungsfelder:
- Schulsanierungen durchführen und somit für Bildung eine Basis schaffen
- gute Kinderbetreuung gewährleisten
- die sozial-ökologische Wende auch in unserer Stadt angehen
- individuelle Mobilität gewährleisten und neue Akzente setzen
- Wohnen erschwinglich machen
- den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Nürtingen stärken.
Zu diesen Handlungsfeldern haben wir bereits 2019 und 2020 Anträge gestellt, die noch bearbeitet werden. In der Vorbereitung auf die Haushaltsberatungen 2021 haben wir festgestellt, was wir erfreulicherweise bereits erreicht haben:
- der Medien-Entwicklungsplan wird an allen Schulen entwickelt und die Stadt kann dementsprechend die finanziellen Mittel abrufen
- die Einrichtung eines Sozialfond, einer Familiencard, die Fortschreibung der Altenhilfeplanung werden vom BiSoFa bearbeitet. Vielen Dank an dieser Stelle für die gute Zusammenarbeit.
- ein Präventions-Netzwerk für armutsgefährdete Familien soll garantieren, dass Familien von Beginn an unterstützt werden und somit die Kinderarmut abgebaut wird. In einer Sozialkonferenz 2021 soll dann dieses Thema weiter konkretisiert werden.
- die Einführung des Stadttickets in Nürtingen ab 2021.
1. Bildung und Kinderbetreuung
Aber eines steht für uns fest: Bildung und Kinderbetreuung muss bei Investitionen Vorfahrt haben!
Damit Schüler*innen gut lernen können, müssen die Rahmenbedingungen stimmen. D. h. die geplanten Schulsanierungen sind durchzuführen, die
Schulentwicklungsplanung ist voranzutreiben, der von uns beantragte Medienentwicklungsplan muss umgesetzt werden. Schließlich wollen wir die Schüler*innen gut auf ihren weiteren Lebens- und Berufsweg vorbereiten – unabhängig von ihren privaten Ausgangssituationen.
Wir unterstützen auch den Neubau, die Erweiterung und Sanierung der bestehenden Kitas, damit u. a. neue Krippenplätze und am Bedarf orientierte Betreuungszeiten vorhanden sind. Nur so kann den Familien, insbesondere den Müttern, die Vereinbarkeit von Familie und Arbeit, eher ermöglicht werden.
2. Nachhaltige Mobilität in Nürtingen
Klimaschutz und Mobilität lassen sich nicht voneinander getrennt betrachten. Gerade im Verkehrssektor liegt ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz und zur zukunftsfähigen Mobilität. Darum wollen wir den ÖPNV sowie die Situation der Radfahrer und Fußgänger in unserer Stadt stärken. Wir sollten in Nürtingen die Maßnahmen ergreifen, die wir als Kommune vor Ort entscheiden und somit umsetzen können
Deshalb fordern wir, dass das von uns schon 2018 beantragte Mobilitätskonzept endlich in Angriff genommen wird. Immer wieder bei Planungen stellen wir übereinstimmend fest, dass es von Vorteil wäre, wenn ein solches Konzept schon vorliegen würde. Wichtig ist für uns, dass zeitgleich dazu mit dem Radverkehrskonzept begonnen wird und auch klar definierte Qualitätsstandards berücksichtigt werden. Weitere Anträge u.a. zur Mobilitätszentrale im Nürtinger Bahnhof, Ausweisung eines gesonderten Budgets für den Radverkehr im städtischen Haushalt oder die Einrichtung einer Toilette für ALLE stellen wir heute wiederholt.
Für den Klimaschutz fordern wir einen Zuschusstopf in Höhe von 50.000 Euro. Dieser sollte für eigene oder fremde Klimaschutzmaßnahmen verwendet werden können. Es ist auch enorm wichtig von Seiten der Stadt externe Projekte unterstützen zu können. Nur so können diese überhaupt starten bzw. Fördermittel ausschöpfen.
3. Wohnen und Leben in Nürtingen
Durch die Corona-Pandemie ist uns allen nochmals bewusst geworden, dass es nicht nur wichtig ist Wohnraum zu haben, sondern ausreichenden und für jeden Geldbeutel bezahlbarer Wohnraum. Um dies zu erreichen, müssen wir ein Bündel an Maßnahmen schnüren.
Die Schaffung von sozialem Wohnungsbau ist unsere Pflichtaufgabe als Kommune. Wir sollten daher das Geld, das wir haben, investieren und verbauen, statt Negativzinsen bezahlen zu müssen.
Zudem beantragen wir, dass eine allgemeine Richtlinie zur Entwicklung und Vergabe von Wohnbauland an Investoren und zur Schaffung von preisgünstigem Wohnraum erstellt wird. Dabei ist die Sozialquote zu erhöhen. Leinfelden-Echterdingen macht es uns mit ihrem Handlungsprogramm vor, dass dies funktionieren kann. Außerdem halten wir an der Gründung einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft fest, damit die Stadt aktiv auf dem Wohnungsmarkt tätig sein kann und nicht passiv auf Investoren warten muss.
Wohnungsnot und hohe Mieten erfordern auch innovative Wohnformen. Deshalb beantragen wir, dass ein Tiny House Wohnfeld ausgewiesen wird, um interessierten BürgerInnen die Möglichkeit zu geben, mit relativ geringen Kosten Wohneigentum zu schaffen. Auch hier gehen andere Kommunen – wie etwa Kißlegg und Tübingen – mit gutem Beispiel voran.
Um den gesellschaftlichen Zusammenhalt weiter zu stärken, ist es wichtig, das Leben im Quartier zu stärken. Dafür braucht es eine am Bedarf der Menschen orientierte Quartiersentwicklung. Wir beantragen deshalb jährlich Einwohnerversammlungen in den Stadtteilen durchzuführen. Gleichzeitig müssen wir nach Förderprogrammen sehen, durch die die Quartiermanager gefördert werden könnten. Nur so können wir in dieser besonderen Zeit die notwendige und wichtige Solidarität untereinander erreichen.
Einbindung und Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger
Wenn ich alle diese Herausforderungen sehe, mit denen wir konfrontiert sind, dann weiß ich, dass wir dies nur bewältigen können, wenn wir auch die Nürtinger Bürger beteiligen – zeitig, auf Augenhöhe, respektvoll. Dazu haben wir schon 2013 einen Leitfaden verabschiedet, der uns Möglichkeiten aufzeigt, dies umzusetzen.
Wir wünschen uns bei den anstehenden Haushaltsberatungen, dass wir offen mit neuen Ideen umgehen, sie diskutieren, dass wir unsere Chancen nutzen.
Abschließend:
Wir bedanken uns für die gute Zusammenarbeit innerhalb des Gemeinderates sowie für die gute Zusammenarbeit von Gemeinderat und den Mitarbeitern der Stadtverwaltung. Wir schätzen sehr wohl die Kompetenzen der Mitarbeiter.
Vielen Dank!
Bärbel Kehl-Maurer, Fraktionsvorsitzende
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