Von Peter Simon u.a. –
Digital, aber bitte auch gerecht! Google, Apple&Co verdienen Milliarden – und zahlen kaum Steuern. Am Dienstag können das die Finanzminister ändern. Die Uhr tickt! Wenn sich die europäischen Finanzminister am morgigen Dienstag in Brüssel treffen, sollten sie endlich die digitale Dienstleistungssteuer auf den Weg bringen: eine Umsatzsteuer für große Unternehmen wie Google, Apple, Facebook, Amazon, Booking oder Spotify. Die Abgabe könnte jedes Jahr bis zu 10 Milliarden Euro einbringen – Mittel, die die öffentliche Hand dringend braucht, um nachhaltigen Wohlstand, sozialen Zusammenhalt und die öffentliche Daseinsvorsorge zu fördern.
Während es völlig selbstverständlich ist, dass Bürger oder kleine Firmen ihre Steuern dort
zahlen, wo sie leben und arbeiten, kommen große Online-Unternehmen mit Kleckerbeträgen
davon. Im vergangenen März veröffentlichte die Europäische Kommission Zahlen, wonach
Digitalunternehmen im Schnitt 9,5 Prozent Körperschaftsteuer auf ihre Gewinne abführen –
in anderen, traditionellen Sektoren sind es im Schnitt 23 Prozent, das ist mehr als das
Doppelte. Allein im Jahr 2017 erzielte Amazon Einnahmen von rund 25 Milliarden Euro in
Europa, zahlte jedoch kaum Steuern.
Die aktuellen Steuerregeln sind schlichtweg überholt. Sie wurden Anfang des 20.
Jahrhunderts für eine analoge Wirtschaft konzipiert und funktionieren in einer zunehmend
globalisierten und digitalisierten Wirtschaft nicht. Die großen Differenzen zwischen
nationalen Steuervorschriften eröffnen zudem Schlupflöcher, die Steuervermeidung und
Steuerhinterziehung quasi zum Kinderspiel machen. Die Enthüllungen der sogenannten
Paradise Papers haben gezeigt, wie multinationale Unternehmen und reiche Eliten von
dieser regulatorischen Kakophonie profitieren, indem sie nämlich Gewinne und Vermögen
über aufwändige Steuerkonstruktionen in Steueroasen verlagern, wo die Steuersätze niedrig
sind oder bei null liegen.
Online-Unternehmen fällt dies besonders leicht. Sie operieren im virtuellen Raum ohne
Bindung an einen bestimmten Unternehmensstandort und können damit fast frei wählen, wo
sie welche Gewinne geltend machen. Auf diese Weise verschärfen sie den
Steuerwettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten.
Um dem unfairen Steuerwettbewerb ein Ende zu setzen, müssen wir die Spielregeln ändern.
Die dringend notwendigen Reformen erfordern neben Zeit vor allem Leadership – und zwar europäisches Leadership.
Es liegt in der Natur der Sache, dass wir Steuervermeidung und -flucht nicht mit nationalen
Methoden beikommen können. Wir müssen auf europäischer Ebene dafür sorgen, dass
digitale Unternehmen in der EU ab morgen ihren gerechten Beitrag zur Finanzierung des
Gemeinwohls leisten. Der schnellste und effektive Weg dahin wäre die Einführung der von
der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Steuer für digitale Dienstleistungen, am
besten mit einem höheren Steuersatz von 5 Prozent und einem erweiterten
Anwendungsbereich, sodass auch Einnahmen aus der Vermarktung digitaler Inhalte wie im Falle des Online-Streamings erfasst werden.
Als Plan B ist auch eine zweistufige Lösung denkbar. Diese würde eine europäische
Digitalsteuer automatisch dann in Kraft treten lassen, wenn internationale Verhandlungen im Rahmen der OECD zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft kein Ergebnis bringen. Dieser
Kompromiss würde die Positionen Frankreichs und Deutschlands aufgreifen. Allerdings
muss es hierbei eine robuste Garantie für das Inkrafttreten einer europäischen digitalen
Dienstleistungssteuer mit klarer Frist bis Dezember 2020 geben, um den erfahrungsgemäß
trägen globalen Regulierungsprozess anzutreiben. Nur die glaubwürdige Aussicht auf eine
bevorstehende Intervention des europäischen Gesetzgebers wird die Vereinigten Staaten zu einer multilateralen Lösung an den Verhandlungstisch der OECD bringen.
Für uns steht fest: Ein weiteres Aufschieben der Entscheidung ist keine Option. Wir fordern Maßnahmen, um die Ungerechtigkeit bei der Besteuerung digitaler Unternehmen in Europa zu stoppen. Und zwar jetzt. Wir fordern die europäischen Finanzminister auf, hierfür morgen eine Lösung zu finden. Gerade auch, weil eine gerechte Besteuerung der Digitalwirtschaft verhindert, dass die Steuerbelastung von Arbeitnehmern und kleinen Unternehmen weiterwächst. Europa muss seine Steuersouveränität zurückgewinnen – denn diese ist
untrennbar mit grundlegenden Fragen der Gerechtigkeit verbunden.
Autoren: Udo Bullmann ist Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Europaparl ment
Peter Simon ist Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion im Sonderausschuss des
Europaparlaments gegen Finanzkriminalität
Paul Tang (NL) ist sozialdemokratischer Europaabgeordneter und Berichterstatter des
Europaparlaments für Digitalsteuer