Jetzt sollen also eine verunsicherte Union und eine gedemütigte SPD zu einer großen Koalition zusammenkommen, einfach, weil die Bundesrepublik eine Regierung braucht. Kein Wunder, dass dies nicht wesentlich leichter ist als der Weg nach Jamaika. (…) Da sind viele gute Absichten protokolliert, gegen die man nichts einwenden kann. (…) Wenn wir lesen: „Wir werden (nicht: sollen!) die Parität bei den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung wiederherstellen“, dann ist das ein geradezu revolutionärer Satz: Die Beiträge zur Krankenversicherung sollen künftig wieder in gleichem Maße von Arbeitgebern und Beschäftigten geleistet werden, auch dann, wenn Beitragserhöhungen nötig sind. (…) Auf Seite 16 der Vereinbarung ist vorgesehen, dass der Verteidigungshaushalt um zwei Milliarden Euro erhöht wird. Auch das ist sozialdemokratische Handschrift. (…) Allein dieser Beschluss führt mich dazu, diesen 28 Seiten zuzustimmen. (…)
Ich bin für das Ja. Ich übersehe einigermaßen, was das Ja bringen wird, nicht, wohin das Nein führt. Neuwahlen in den nächsten Monaten würden uns ankämpfen lassen gegen das Argument: Wozu wollt ihr unsere Stimme? Wenn wir bereit sind, das zu tun, wofür wir bekannt sind: dass wir Verantwortung übernehmen, auch wenn es uns nicht nützen muss, haben wir eine Chance, den Abwärtstrend zu stoppen.
Im nächsten Wahlkampf müssen wir uns zu unserer Arbeit bekennen. Warum haben wir nach keiner großen Koalition Plakate geklebt mit den Bildern von einem halben Dutzend Bundesministerinnen und -ministern, die gute Arbeit geleistet haben? (…)
Wenn die Union noch etwas tun wollte, um rasch zu einer soliden Regierung zu kommen, könnte sie ja uns Sozialdemokraten sagen: Natürlich können wir nicht den ganzen Sondierungsprozess wiederholen. Aber wenn ihr noch drei Wünsche habt, von denen wir mindestens einen erfüllen müssen – dann wollen wir gern darüber reden.
Süddeutsche Zeitung, 18.1. 2018