Der CDU-Spitzenkandidat für Baden-Württemberg, Guido Wolf, will Flüchtlingen kein Geld mehr auszahlen. Und damit die Zuwanderung verringern. Im fehlt offenbar jedes Gefühl für christliche Mitmenschlichkeit.

Eine kleine Notunterkunft im Berliner Osten. Etwa 150 Menschen leben hier seit Monaten in einer doppelstöckigen Turnhalle. Der Boden ist mit Pappe ausgelegt, inzwischen gibt es Sichtschutzwände aus weißer Plane, die auf Holzrahmen gespannt ist. Morgens, mittags und abends kommen freiwillige Helfer, um die Essensausgabe zu organisieren. Morgens und mittags trockene Brötchen, etwas das aussieht wie Käse, Butterstücken abgepackt, Marmelade abgepackt. Abends die Hauptmahlzeit. Das sind 150 Alupäcken. Meist irgendwas mit Reis. Manchmal Fisch, manchmal Hähnchen. In der Regel ist es ungenießbar.

Das Essen ist immer kalt. Es wird nicht in beheizbaren Behältern oder zumindest in Isolierboxen geliefert. Sondern in durchsichtigen Plastik-Wannen. Die Hänchenschenkel kamen auch schon mal in gefrorenem Zustand an. Zu trinken gibt es dazu nichts. Na gut, Leitungswasser. Es sei denn, es sind mal wieder ein paar Kisten mit Fruchtsaft oder Milch gespendet worden. Obst gibt es nicht. Es sei denn, es sind wieder ein paar Kisten Mandarinen oder Bananen gespendet worden.

Gäbe es keine Spenden, es gäbe keine Windeln für die Babys, keine Säuglingsnahrung, keine Hygieneartikel, keine Rasierklingeln, keine warmen Pullover, keine Mützen, keine Schals. Es gäbe nichts außer den Betten, den Sichtschutzwänden, die drei Mahlzeiten und den paar Sicherheitsleuten.

In Baden-Württemberg gibt es einen Kandidaten von der CDU. Dieser Guido Wolf will Ministerpräsident werden. Kaum jemand möchte ihn in Baden-Württemberg. Aber weil die SPD so schwach ist, könnte ihn das Glück in das Amt spülen.

Dieser Herr Wolf hat jetzt eine Idee, wie er die Zuwanderung von Flüchtlingen nach Deutschland reduzieren will. Er würde mal damit anfangen, den Flüchtlingen „zumindest in der Erstaufnahme“ kein Bargeld mehr auszuzahlen. In einer Erstaufnahme also wie oben beschrieben. Das fordert Wolf jetzt in der Tageszeitung „Die Welt“.

Volljährige Asylbewerber bekommen ein Taschengeld von 143 Euro im Monat. Das reicht in Deutschland kaum, um sich alle paar Tage in einem Imbiss zu verpflegen, ein paar warme Strümpfe, ab und zu ein Ticket für Bus oder Bahn zu kaufen und schlicht mal etwas anders als Leitungswasser zu trinken. Und vor allem um die Sim-Karte zu bezahlen für den lebensnotwendigen Kontakt zur Familie in der Heimat.

Diese 143 Euro Taschengeld sind der letzte Rest an Selbstständigkeit, den Asylbewerber über Monate haben. 143 Euro, die ein wenig Freiheit und Würde lassen in einem Leben, das sich über lange Zeit zwischen Sammelunterkunft und Ämterbesuchen abspielt.
Politiker wie Herr Wolf glauben oder – noch schlimmer – wollen glauben machen, diese 143 Euro wären ein wichtiger Grund für ausgebombte und vom Tode bedrohte Menschen aus Syrien, Irak und Afghanistan, alles hinter sich zu lassen, Familie, Freunde, den letzten Besitz, und sich auf die lebensgefährliche Flucht nach Europa zu begeben. Für 143 Euro im Monat.

Politiker wie Herr Wolf sehen offenbar schon in der menschlichen Behandlung von Menschen einen Fluchtgrund.
Süddeutsche Zeitung Online , 23. Januar 2016, 15:55 Uhr

Kommentar von Thorsten Denkler, Berlin